1. Beispiel (Schuljahr 2012/13)
2. Beispiel (Schuljahr 2013/14)
Bearbeiten Sie alle folgenden Fragen in Form eines geschlossenen, argumentierenden Textes. Stich punkte und Skizzen genügen nicht! Die Arbeitszeit beträgt 45 Minuten.
Während einer feucht-fröhlichen Geburtstagsparty verletzt
sich ein Mädchen gefährlich an einer Glasscherbe. Sie droht zu verbluten. Leider
kann kein Notruf per Handy abgesetzt werden, da kein Empfang herrscht. Der
Freund des Mädchens könnte sie mit dem Auto zum nächstgelegenen Kran kenhaus
transportieren, aber der junge Mann hat bereits so viel Alkohol getrunken, dass
er die vor geschriebene Promillegrenze überschreitet.
Welche Handlungsweisen sind für den verantwortungsbewussten Freund denkbar und
wie sollte er sich entscheiden?
Zu 1a)
Lt. Arbeitsblatt; konkret:
Zu 1b)
Immanuel Kant: Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen
kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde. (Vgl. Was du nicht willst, das
man dir tu, das füg auch keinem andern zu. Beispiel: Bei Rot über eine Ampel
gehen → Wenn das alle so machen würden → Verkehrschaos →
abzulehnende
Handlung)
Utilitarismus: Diejenige Handlung bzw. Handlungsregel (Norm) ist im sittlichen
bzw. moralischen Sinne gut bzw. richtig, deren Folgen für das Wohlergehen aller
von der Handlung Betroffenen optimal sind. (Vier Prinzipien: Konsequenzp.,
Hedonismus, Universalismus, Optimismus; Gefahr des Missbrauchs
[Nationalsozialismus];
Vergleich: Deontologische (KI) vs. teleologische
(U.) Ausrichtung; Der KI ist universeller, hängt aber vom guten Willen des
Menschen ab)
Zu 2a)
Deontologisch: Der sittliche Wert einer Handlung ist in ihr selbst begründet:
Fahren unter Alkoholeinfluss ist moralisch falsch ? Der Junge darf auch nicht
fahren, um das Mädchen zu retten.
Teleologisch: Das Ziel und die absehbaren Folgen bestimmen den sittlichen Wert
der Handlung: Lebensrettung steht im Vordergrund und erlaubt auch eine ansonsten
verbotene Alhoholfahrt.
Es muss eine sorgfältige Güterabwägung erfolgen: Lebensrettung vs.
Gesetzestreue. Jesus gibt uns in seiner Haltung zum Sabbatgebot Hinweise.
Schluss: Wenn wirklich alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind (Notruf,
anderer Fahrer, Hilfe holen etc.), muss der Junge unter größter Vorsicht
versuchen, das Mädchen ins rettende Krankenhaus zu fahren
(Gewissensentscheid).
Zu 2b)
Aus christlicher Sicht ist die kalifornische Entscheidung für die Todesstrafe
abzulehnen. Begründung: Normwandel von
Sippenhaft → jus talionis → „Du sollst nicht morden!”
→ „Du sollst nicht töten!”
→ Feindesliebe Jesu. Es fand eine Entwicklung hin zum Humaneren statt. Die
kalifornische Entscheidung ist also rückwärtsgewandt und entspricht nicht der
Entwicklung im Christentum.
Form: Geschlossener, argumentierender Text, keine Abkürzungen
„&” oder „→”.
Bearbeiten Sie alle folgenden Fragen in Form eines geschlossenen, argumentierenden Textes. Stich punkte und Skizzen genügen nicht! Die Arbeitszeit beträgt 45 Minuten (09:20 – 10:05).
vom 16. Januar 2012
Am 18. April 1978 endet ein Banküberfall mit einer tödlichen Geiselnahme. Der Fall ging in die Polizeigeschichte ein.
Quelle: shz.de, Online-Ausgabe der sh:z Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag GmbH &ersand; Co. KG. Internet: http://www.shz.de/nachrichten/schleswig-holstein-am-sonntag/der-erste-finale-rettungsschuss-id277297.html, (aufgerufen am 02.12.2013)
zu 1a)
Deontologische Ethik: Bestimmte Handlungen sind von sich aus immer und überall falsch, z.B. Mord. Grund: 5. Gebot, Naturrecht. Also ist der finale Rettungsschuss zu verurteilen. (15)
Teleologische Ethik: Das Ziel und die absehbaren Folgen einer Handlung bestimmen ihren sittlichen Wert. Da der finale Rettungsschuss die Rettung der Geisel, also etwas Gutes beabsichtigt, ist er ethisch zu vertreten. (15)
Zu 1b)
Immanuel Kants Kategorischer Imperativ lautet „Handle stets nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie allgemeines Gesetz werde!” Da der finale Rettungsschuss eine Tötung ohne Gerichtsbeschluss ist, und man das nicht zum allgemeinen Gesetz machen kann, ist auch im konkreten Fall diese Handlung ethisch nicht vertretbar.
Der gute Wille macht den sittlichen Wert einer Handlung aus. Er wird „a priori” für den Kategorischen Imperativ vorausgesetzt und besteht unabhängig von theoretischen Imperativen wie z.B. „Was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem andern zu.” (20)
Zu 2a)
Bezug: Textblatt aus dem Unterricht
Z.B. Kasuistische Ethik, heteronome Gebotsethik, Ethik des Maßes und der stoischen Gelassenheit, Utilitarismus, Situationsethik, Neigungsethik (je 2 → 10)
Kasuistik: Beispiel: Gemeindeordnung von Qumran: Wer in die Versammlung der Ä;ltesten spuckt, wird mit 30 Tagen Ausschluss aus der Versammlung bestraft.
Vorteil: Für jeden Fall gibt es klare Verhaltensregeln, die über Gut und Böse entscheiden.
Nachteil: Im Lauf der Zeit tauchen immer neue Fälle auf, für die es noch keine Regeln gibt. (20)
zu 2b)
Letztverbindliche Quellen sind Erfahrung, Naturrecht, Gewissen und Offenbarung.
Gewissen: Stimme Gottes in unserem Herzen (Römerbrief)
norma normans, norma normata, Pflicht zur Gewissensbildung, Gefahr des Gewissensirrtums oder der Verhärtung des Gewissens (20)
Erst teilweise im Unterricht behandelt, daher ungünstiges Beispiel:
Dekalog: Die Zehn Gebote (Aufzählung genügt nicht!) von Gott Mose gegeben zum Erhalt der Freiheit. Grundlage für die Antithesen der Bergpredigt im NT.
Die Verbindlichkeit der Offenbarung liegt in Gott selbst als letztlich nicht mehr hinterfragbarer Autorität begründet.
Bearbeiten Sie alle Aufgaben in ganzen Sätzen in einem zusammenhängenden Text. Die Arbeitszeit beträgt 45 Minuten.
Friedrich von Schiller: Die Bürgschaft (1799) Zu Dionys1), dem Tyrannen, schlich 1) Dionysios I. (∗ um 430 v. Chr.; † 367 v. Chr.) war Tyrann von Syrakus. Er gehörte zu den mächtigsten Tyrannen der Antike und war der am längsten regierende unter ihnen. Seine Herrschaft dauerte von 405 v. Chr. bis zu seinem Tod. Daher und durch die Umstände seines Aufstiegs wurde er zum Musterbeispiel eines Gewaltherrschers. 2) In den Fabeln des Hyginus (Amsterdam 1670), Schillers Quelle, heißt der Attentäter Damon. |
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1. Normbegründung
Skizzieren Sie drei verschiedene Normbegründungsmodelle und beurteilen Sie aus deren Sicht Damons Mordversuch! (RP, TF 45 BE)
2. Normwandel
3. Letztbegründung sittlicher Normen
Gesetzt den Fall, Damon in Schillers Ballade handelte nach seinem Gewissen. Beschreiben Sie die Verbindlichkeit, aber auch mögliche Fehlerquellen dieses Gewissensspruchs! (RP, TF, 25 BE)
zu 1:
z.B. Kasuistik:
Für jeden Rechtsfall wird die Beurteilung/Strafe vorgeschrieben. Beispiel: Gemeindeordnung von Qumran. Vorteil ist die Rechtssicherheit, Nachteil, dass nie alle (neuen) Fälle berücksichtigt werden können.
Hiernach ist Damons Mordanschlag auf den Herrscher verwerflich und die Strafe (Kreuzigung) vorgegeben.
z.B. Utilitarismus:
„Gut ist, was der Mehrheit aller Betroffenen nützt.” Die Folgen einer Handlung werden mitbedacht. Beispiel: NS-Rechtssprechung. Vorteil ist der Nutzen für die Mehrheit, das eigene Volk, den Stärkeren; Nachteil ist, dass die Definition von „alle Betroffenen” nicht eindeutig ist.
Hier könnte das Ziel/die Folge des Tyrannenmordes, die Befreiung von Unterdrückung, die (Mord-)Tat rechtfertigen.
z.B. Kategorischer Imperativ:
„Handle so, dass die Maxime deiner Handlung jederzeit zum Allgemeinen Gesetz werden könnte!” (nach Kant). Vorteil: Der KI ist immer und überall gültig. Wenn man alle unliebsamen Mitmenschen töten dürfte, dann darf auch der Tyrann getötet werden. Da das aber nicht der Fall ist, handelte auch Damon verwerflich. Seine Bestrafung ist folgerichtig.
(je 15 BE)
zu 2:
zu 3:
1. Normbegründung
3. Letztbegründung sittlicher Normen
zu 1a:
Kasuistik:
Für jeden Rechtsfall wird die Beurteilung/Strafe vorgeschrieben. Beispiel: Gemeindeordnung von Qumran. Vorteil ist die Rechtssicherheit, Nachteil, dass nie alle (neuen) Fälle berücksichtigt werden können.
Utilitarismus:
„Gut ist, was der Mehrheit aller Betroffenen nützt.” Die Folgen einer Handlung werden mitbedacht. Vier Prinzipien (Utilität, Hedonismus, Universalismus, Optimismus). Beispiel: NS-Rechtssprechung. Vorteil ist der Nutzen für die Mehrheit, das eigene Volk, den Stärkeren; Nachteil ist, dass die Definition von „alle Betroffenen” nicht eindeutig ist.
Kategorischer Imperativ:
„Handle so, dass die Maxime deiner Handlung jederzeit zum Allgemeinen Gesetz werden könnte!” (nach Kant). Vorteil: Der KI ist immer und überall gültig. Vorteil: Subjektive Sittlichkeit. Nachteil: Der gute Wille allein reicht oft nicht. Der KI steht vor jeder Moral und ist a priori vom Verstand her zwingend.
(je 10 BE)
zu 1b:
Deontologisch: Es gibt Handlungen, die von sich falsch bzw. sittlich schlecht sind. Lüge ist immer und überall verwerflich, also auch die Notlüge.
Teleologisch: Das Ziel bestimmt den moralischen Wert der Handlung, also kann ein guter Zweck das Mittel heiligen (Notlüge eines Arztes, um Patienten zu schonen).
(je 10 BE)
zu 2a:
zu 2b:
sinngemäß, jeweils mit kurzer Erklärung:
1. Utilitarismus
2. Der Dekalog
Jeremy Bentham: Eine Einführung in die Prinzipien der Moral und der Gesetzgebung, Kap. I. Über das Prinzip der Nützlichkeit. Übers. Von Annemarie Pieper. In: Ottfried Höffe (Hrsg.): Einführung in die utilitaristische Ethik. A.Francke Verlag Tübingen, 2. Auflage 1992, S. 56 - 58). Auszüge im Internet, z.B.: http://joachimschmid.ch/docs/PAzBenthJerEinPriM.pdf, (besucht am 7.11.2016).
zu 1a:
zu 1b:
Gefahren: Verachtung des Allgemeinwohls, Recht des Stärkeren, Missbrauch
Beispiel: Ideologie des Nationalsozialismus, mit der gröbste Menschenrechtsverletzungen rechtfertigt wurden.
zu 1c:
Diejenige Handlung ist richtig, deren Folgen für alle Beteiligten optimal sind. Darin sind die vier Prinzipien der Konsequenz (Folge), des Hedonismus (Wohlergehen), Universalismus (für alle) und des Optimismus (Nützlichkeit) enthalten. Utilitarismus ist eine teleologische Normbegründung, die den Nutzen (lat. utilitas, Nutzen, Vorteil) einer Handlung in den Vordergrund stellt.
zu 2a:
zu 2b:
Nächstenliebe bzw. Feindesliebe kann dem Gebot der Nützlichkeit entgegenstehen. Gemeinsam ist beiden, dass es um Wohlergehen geht. Unterschiede werden im Personenkreis der Betroffenen sichtbar. Christliche Nächstenliebe ist unabhängig von jeder Berechnung und jedem Kalkül.